Text entnommen aus Kunst am Fluss | Umestnost ob reki, erschienen 2005 bei Wieser Verlag.

GALERIE ŠIKORONJA

ROSEGG / ROŽEK

Begegnung an der Drau

 

Die Galerie Šikoronja in Rosegg wurde 2010 bereits 25 Jahre alt: Das Jubiläum einer permanenten kulturellen Gastfreundschaft und Grenzüberschreitung. Dieses Haus trägt alles in sich: den Fluss, die Auwälder, die Karawanken, die ziehenden Wolken, die Grenzen, die Geschichte, die Wandlungen der Menschen. Alles, was das Haus je berührt hat, ist gespeichert. Seit zwei Jahrzehnten ist das auch und vor allem Kunst.

 

1985 machte sich Marija Šikoronja daran, den alten Gasthof, in dem Napoleon genächtigt haben soll und der immer an einer strategischen Naht lag, zu adaptieren. Den alten Mauern wurde mit einem frischen Anstrich zugleich Kunst implementiert: Valentin Oman bemalte drei Innenwände als Vorarbeit für die Gestaltung von Tanzenberg und präsentierte zugleich seine neuen Arbeiten – die Geburt der Galerie, deren Vision die neue Hausherrin schon eine Weile beschäftigt hatte. Seither scheinen die Räume transparent für Kunst zu sein, sie auszustrahlen, anzuziehen und anzuregen. Die Fresken von Valentin Oman sind ein bleibender Hintergrund, vor dem sich Kunst entfaltet. Er selbst scheint immer wieder im Programm auf, wie Caroline, Bogdan Borčić, Janez Bernik, Inge Vavra oder Peter Krawagna. Renommierte österreichische und slowenische Künstler folgten: Hans Staudacher, Giselbert Hoke, Emerik Bernard, Hans Bischoffshausen, Jože Ciuha, Drago Druškovič, Zoran Mušič, Franz Grabmayr, Gertrud Weiss-Richter, Luigi Spacal, Karl Vouk, Johanes Zechner und andere. Kiki Kogelnik war 1973 in einer Personale im Künstlerhaus zu sehen, aber in ihrer Heimat viel zu wenig bekannt. 1988 nahm sie in der Galerie Šikoronja einen Anlauf für den großen Erfolg auch in Kärnten. Gustav Januø hatte dort seine erste große Präsentation, ebenso Markus Orsini-Rosenberg, Ivo Prančič, Jana Vizjak oder Gašper Jemec. Als Marija Šikoronja bei einer Ausstellung in Saalfelden Hugo Wulz traf, der gern in Kärnten wohnen wollte, wusste sie ein Bauernhaus im Rosental zum Kauf: der Anfang der Zusammenarbeit mit Hugo, Roswitha und Rainer Wulz.

 

Eine ganze Reihe von Künstlern aus der nächsten Umgebung fand sich im Mittelpunkt von Ausstellungen. Marija Šikoronja, die sorgfältig Beobachtende und Auswählende, spannte behutsam Fäden v on Kunstverbindungen verschiedener Kulturen und Kunstrichtungen. Je ein bereits bekannter und ein junger Künstler, Vertreter aus Österreich und Slowenien oder auch Italien, Frankreich oder Kroatien halten das Gleichgewicht in den Ausstellungen. Im Sommer regiert jeweils ein Thema, das nachhaltige Spuren und Maßstäbe setzt. Die frühen Kontakte der Galeristin, die vorher die Buchhandlung Hermagoras geleitet hat, waren ein Grundstock, der durch Kunstmessen, Reisen und gezieltes Suchen über ein Freundschaftsnetzwerk stetig ausgebaut wird.

 

Die Galerie Šikoronja hat sich in 20 Jahren als Garant des Anspruchsvollen und Verbindenden erwiesen, der von Anfang an die Grenzen – historische, politische, kulturelle, sprachliche – nicht als trennend, sondern als besonders fruchtbares Zusammentreffen gesehen hat. Für Gegenwartskünstler des Alpe-Adria-Raumes ist die Galerie ein Fixpunkt, der sie begleitet, ihre Entwicklungen aufzeigt, Anlässe beachtet und sie in den Kontext des Landes stellt. Umgekehrt reagieren Künstler auch gern auf das magische Häuschen: der Mittagskogel, zum Beispiel von Peter Krawagna, als Thema einer ganzen Ausstellung; grüne, alles umfangende, archaische Auen und die graublaue Drau von Markus Orsini-Rosenberg; Berge aus der Sicht von Caroline; der Himmel über dem Geäst vor der Haustür und die Landkartenraster von Inge Vavra. Dem Blick nach außen verleihen sie ein Wissen nach innen. So wie die Fresken von Oman fast nie sichtbar sind, sondern von anderen Bildern verhängt, werden Schichten von Bewusstsein freigelegt und wieder von neuen überdeckt, werden Blickwinkel geändert und Kunstentwicklungen aufgezeigt. Der Kreis der ausgestellten Künstler und Künstlerinnen ist inzwischen schon sehr groß, dennoch kommen sie in der Galerie über Jahre immer wieder vor. Es lassen sich zum Teil geradezu Lebenswerke ablesen, aber auch Nachweise und Vergleiche der internationalen und regionalen Kunstszene.

 

Das Konzept der Galeristin baut auf Begegnung, Zweisprachigkeit, Vertrauen, auf die Qualität der Kunst und die Anziehungskraft des Ortes, umgesetzt mit Klugheit, Witz und Charme. Marija Šikoronja sorgt geschickt und unbeirrbar dafür, dass das Haus wirksam sein kann: die kleinen Räume schützen Zeichenhaftes von Bogdan Boroeiç, transzendentale Symbole und Lebensinnenwelten von Armin Guerino, die freundlichen Figuren von Konrad Koller und die verpuppten Wesen von Hugo Wulz. Und sie erweitern sich wie von selbst zu großzügigen, luftigen Durchgängen für Bildhauerei, Objektkunst, Konzerte, Lesungen und Kunstvermittlung, für Feste und lange Vernissageabende. Das geschichtsträchtige Wirtshaus an der Zollgrenze der Drau ist auf unspektakuläre Weise ein unverzichtbares Zentrum der Kultur geworden.

 

 

Annemarie Fleck, geboren in Niederösterreich, Studium der Germanistik und Philosophie, Journalistin und Redakteurin.